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Schüler helfen ehemaligen Zwangsarbeitern und anderen NS-Opfern in Kiew, Minsk und Moskau.

Singeprojekt mit Preis ausgezeichnet.

Bewegendes Treffen deutscher und belarussischer Chorteilnehmer in Berlin.

Ein Bericht von Dmitri Stratievski.

Mit dem Jahr 2005 endete die Finanzierung des zweijährigen Projekts „Schüler helfen NS-Opfern in Kiew, Minsk und Moskau“. Trotzdem gab es eine Fortsetzung und neue Schülergruppen werden weitermachen.

Das Projekt „Acht ehemalige ZwangsarbeiterInnen aus Minsk, zum gemeinsamen Auftritt im Berlin-Minsker Friedenschor auf der Festveranstaltung des internationalen Schul- und Jugendwettbewerbs ‚Frieden für Europa – Europa für den Frieden‘“ war eine Fortführung des von KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V. durchgeführten Projektes „Lieder für den Frieden aus den letzten 65 Jahren, deutsche und russische Friedenslieder und ihre Autoren“.

Im Laufe des Singeprojekts, das im Rahmen von „Schüler helfen NS-Opfern“ über ein Jahr dauerte, haben die Schüler einer Freien Waldorfschule, Minsker Jugendliche aus der Mascherow-Mittelschule und Opfer des Nationalsozialismus aus Minsk russische und deutsche Friedenslieder aus den letzten 65 Jahren ausgesucht, einstudiert und später in Minsk und Berlin gemeinsam öffentlich vorgetragen.

Zahlreiche Auftritte gab es im April 2005 in der belarussischen Hauptstadt. Im Juni 2005 besuchten die Minsker Jugendlichen, leider ohne die älteren Chorsängerinnen und Chorsänger, Berlin.

In beiden Hauptstädten entstand nicht nur eine funktionsfähige Chorgemeinschaft, sondern auch ein Freundeskreis.

Zu den deutsch-belarussischen Aktivitäten zählten gemeinsam verbrachte Zeit, Hausbesuche und kulturelle Aktivitäten. In beiden Städten wurden symbolisch Friedensbäume gepflanzt. Die jungen und alten Chormitglieder aus beiden Ländern haben sich angefreundet, trotz Sprachbarriere.

Projektplanung und Projektvorhaben.

Das Singeprojekt hat im Schul- und Jugendwettbewerb „Frieden für Europa – Europa für den Frieden“ des Zukunftsfonds der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ einen Preis erhalten. Die Würdigung der Preisträger sollte im Rahmen eines Aufenthaltsprogramms in Berlin stattfinden.

Ursprünglich wurde von den Initiatoren des Wettbewerbs beschlossen, nur jeweils einen Betreuer und drei Jugendliche an der Preisträgerbegegnung in Berlin teilnehmen zu lassen. Nur zwei Chormitglieder aus der älteren Generation sollten die Veranstaltung live erleben dürfen.

Dies war auf Grund der zahlreichen Teilnehmer verständlich, trotzdem wäre es unserer Auffassung nach nur gerecht, wenn an der Präsentation unseres Friedensliederprojekts auch die ehemaligen Zwangsarbeiter hätten teilnehmen könnten, die im Chor mitwirken. Es wäre eine vom menschlichen Aspekt her notwendige Auszeichnung und Würdigung dieser alten Menschen. Sie haben am Erfolg des Friedensliederprojektes entscheidenden Anteil gehabt.

Dank der Unterstützung des Zukunftsfonds und der Stiftung West-Östliche Begegnungen erhielten zusätzlich acht Opfer des Nationalsozialismus die Möglichkeit, an der Preisträgerbegegnung teilzunehmen, alte Freunde wiederzutreffen, sich mit Mitgliedern und Gästen von KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V. bekannt zu machen und Berlin zu besuchen.

Im Hinblick auf unsere langjährige Erfahrung im Umgang mit älteren Menschen aus Osteuropa haben wir ein vielfältiges Aufenthaltsprogramm vorbereitet, wo auch neben den Veranstaltungen und Begegnungen einige Kulturangebote ihren Platz fanden.

Projektverlauf.

Sonnabend, 28. Januar 2006.

Gleich für den Ankunftstag haben wir erste Aktivitäten geplant. Eine gute halbe Stunde vor Ankunft des Zuges aus Minsk versammelten sich am Bahnhof Lichtenberg die Vertreter unseres Vereines, ehernamtliche Helferinnen und Helfer sowie die Schülerinnen und Schülern der Freien Waldorfschule, die ungeduldig auf das Wiedersehen mit den Freunden warteten.

Der Zug hatte zwei Stunden Verspätung. Wir kamen aber pünktlich zum Mittagsessen ins unweit vom Bahnhof gelegene Hotel „Kolumbus“, den von unserem Partnerverein MitOst e.V. organisierten Unterkunftsort für die gesamte Aufenthaltsdauer.

Junge und alte Gäste aus verschiedenen Staaten wurden unter einem Dach untergebracht. Die Stimmung war gut. Niemand wollte sich nach der langen Reise erholen. Die Meinung war einheitlich, Kulturangebote in Anspruch zu nehmen.

Bald befanden wir uns im Zentrum der Stadt und besuchten das Pergamonmuseum und die Alte Galerie. Wir haben eine russischsprachige Führung vorbereitet, die eine professionelle Führerin auf ehrenamtlicher Basis organisiert hat.

Sonntag, 29. Januar 2006.

Nach dem Frühstück sahen wir wieder frohe Gesichter unserer Gäste. Heute stand ein kleiner Rundgang durch den Westen Berlins auf dem Programm, von KONTAKTE-KOHTAKTbI-Mitarbeitern ehrenamtlich organisiert.

Dieser Rundgang war attraktiv, weil wir erfahren haben, dass der Schwerpunkt der morgigen historischen Stadtrundfahrt im östlichen Berlin liegen wird. Es war für unsere Gäste ausgesprochen interessant, die beiden Teile der vormals geteilten Stadt kennenzulernen.

Gruppenbild vor der Gedächtniskirche in Berlin.

Vor der Gedächtniskirche.

Nach dem Mittagsessen kamen wir pünktlich ins Hotel „Kolumbus“, zur Projektbörse der Preisträger „Frieden für Europa – Europa für den Frieden“.

Die älteren und jungen Chorteilnehmer haben unter Leitung des Chorleiters Maksim Gamow kurz geprobt. Später haben sie die Projektpräsentationen anderer Preisträger aus Mittel- und Osteuropa miterlebt. In wenigen Minuten erschienen sie selbst auf der Bühne des Veranstaltungsraumes.

Die Minsker inszenierten die Geschichte von zwei jungen Menschen, die nach einer langen Trennung, bedingt durch Kriegsverhältnisse, sich wiedertreffen. Der Auftritt war mit russischen, deutschen und belarussischen Liedern begleitet. Es gab viel Beifall.

Am Abend konnten die Gäste eine Aufführung der Mozartoper „Die Hochzeit des Figaro“ genießen.

Montag, 30. Januar 2006.

Am Vormittag nahmen die belarussischen Gäste an einer historischen Stadtrundfahrt „Berlin 1945“ teil. Da die Stadtrundfahrt nur auf deutsch und englisch angeboten wurde, haben wir mit Hilfe eines Vereinsmitglieds den Vortrag ins Russische gedolmetscht.

Die Belarussen spürten viele Anknüpfungspunkte, die vormals verfeindete Völker, Deutsche und Belarussen, verbinden und heute zur Versöhnung anregen.

Nach dem Aussteigen im Zentrum der Stadt liefen wir zur Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Hier fand die Preisträgerveranstaltung des historischen Schul- und Jugendwettbewerbes „Frieden für Europa – Europa für den Frieden“ statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung war auch der Auftritt der Ehrengäste aus Belarus vorgesehen.

Gruppenbild mit den Chorteilnehmern.

Auftritt des Chores auf der Preisträgerveranstaltung.

Nach der Rückkehr ins Hotel haben die älteren Chormitglieder bei einem Empfang die Möglichkeit gehabt, sich nach einem langen und anstrengten Tag zu entspannen und sich mit den alten und neuen Bekannten zu unterhalten.

Dienstag, 31. Januar 2006.

Heute hatten wir vorgehabt, am Vormittag die Reisehorizonte auszudehnen und Berlin für einige Stunden zu verlassen. In Begleitung von einer KONTAKTE-KOHTAKTbI-Betreuerin fuhr die Gruppe nach Potsdam. Wir besuchten Schloss Cecilienhof, den Ort der Potsdamer Konferenz. Auch hier gab es eine freundliche, kostenfreie Führung durch die Schlossräume. Die Zeitzeugen haben während der Besichtigung spannende Fragen gestellt.

Am späteren Nachmittag warteten im KONTAKTE-KOHTAKTbI-Domizil unsere Vereinsmitglieder und eingeladenen Gäste auf die belarussischen Freunde. Das Begegnungstreffen war offen und hochemotional. Eberhard Radczuweit las einige Briefe der NS-Opfer vor. (Der Verein bekommt täglich Dutzende Briefe ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener.) Im Rahmen der kurzen Vorträge haben wir die Hauptprofile unserer Arbeit skizziert sowie ausführlich über den Verlauf des Singeprojektes berichtet.

Einige NS-Opfer ergriffen das Wort und erzählten über Vergangenes und die Gegenwart sowie persöhnliche Wahrnehmungen der Geschichte.

Danach wurde frei und lebhaft diskutiert. Jung und Alt haben sich zusammen wohl gefühlt. Die Gäste aus Minsk trugen russische und belarussische Lieder vor und sangen gemeinsam mit den Gastgebern deutsche Volkslieder. Dabei beschämten sie die Deutschen mit ihrer Textsicherheit.

Mittwoch, 1. Februar 2006.

Heute hieß es leider Abschied nehmen. Nach dem Frühstück und der Verteilung kleiner Geschenke und Lunchpackete für die lange Heimfahrt fuhr die Gruppe zum Bahnhof Lichtenberg.

Die Begleitdelegation war zahlreich. Auch einige Menschen, die erst vor kurzem von unserem Projekt erfahren hatten, kamen zum Bahnhof, um sich zu verabschieden. Letzte Küsse und Umarmungen. Am nächsten Tag hat eine Betreuerin von KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V. mit allen ReiseteilnehmerInnen telefoniert.

Bewertung, Nachhaltigkeit und Notwendigkeit einer Fortsetzung.

Das Projetziel wurde erreicht. Dank der Unterstützung von Seiten des Zukunftsfonds und der Stiftung West-Östliche Begegnungen war es uns gelungen, ältere Chorteilnehmer zum generationsübergreifenden Begegnungstreffen sowie zur Preisträgerveranstaltung einzuladen.

Die NS-Opfer aus Minsk haben den Besuch positiv bewertet. Sie haben durch den Chor bzw. durch die Berlinreise und persöhnliche Teilnahme an zahlreichen Begegnungen einen neuen Lebensinhalt und gleichaltrige Freunde gefunden. Die Zusammenkunft mit den nah stehenden deutschen Jugendlichen stärkte ihr Selbstvertrauen. Die Reise galt als Würdigung der NS-Opfer und als eine ausdrückliche Bestätigung des menschlischen Streben nach Frieden.

Die Minsker Chorgemeinschaft existiert weiter. Die Freundschaft zwischen den Minskern und den Berliner Jugendlichen bleibt stabil. Der gemeinsame Chor bedeutet für diese alten, sonst einsamen Menschen unter anderem psychosoziale Unterstützung und stärkt andererseits die soziale Kompetenz von Jugendlichen im Umgang mit alten Menschen. Der Chor wird durch kräftiges Engagement der deutschen und belarussischen Beteiligten unterstützt.

Nach dem Ende der Projektfinanzierung aus Deutschland (das betrifft auch das gesamte Singprojekt) kommen jedoch einige finanzielle Engpässe in Sicht. KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V. wird sich bemühen, eine Mindestfinanzierung des Chorprojektes zu erreichen.

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